Reetgedeecktes, rechtwinkliges Musterhaus
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Musterhaus „Der Gartenhof“, um 1935; Quelle: Breuhaus 1935, S. 47.

Die 1930er Jahre

Das Gelände rund um den Bogensee gehört seit 1913 zum Berliner Stadtgut Lanke. Im Herbst 1936 ließ sich Joseph Goebbels als Gauleiter der NSDAP in Berlin ein Areal rund um den Bogensee zur Nutzung auf Lebenszeit zur Verfügung stellen. Die Errichtung des Blockhauses direkt am See hatte er bereits zuvor veranlasst. Nebengebäude für die Angestellten sowie eine Garage, ein Bootshaus und ein Schießstand ergänzten das Ensemble.

Goebbels, ab 1933 Reichspropagandaminister, nutzte das Haus ab Ende Oktober 1936 als privates Wochenendhaus und Dienstsitz. Mit dem Neubau des „Waldhofes“ 1939 am gegenüberliegenden Ufer ließ er sich sein Anwesen 1939 erheblich vergrößern. Das kleinere Blockhaus wurde zum Gästehaus.

Die Stadt Berlin erwirbt das Gut Lanke

Ab den 1870er Jahren erweiterte die Stadt Berlin ihren städtischen Besitz an Grund und Boden. 1913 kaufte sie von dem Grafen Wilhelm von Redern das Gut Lanke. Das Gebiet, im Norden der Stadt gelegen, war 4485 Hektar groß. Ab Oktober 1914 bewirtschaftete Berlin das einstige Gutsgelände, das mit seinen alten Baumbeständen und Seen, unter anderem dem Bogensee, zu einer der schönsten Gegenden der Mark Brandenburg zählte. Als Naherholungsgebiet für die Berliner Bevölkerung war es über den Bahnhof Wandlitz gut zu erreichen.

Die Stadt Berlin kaufte angesichts ihrer stark wachsenden Bevölkerung viele Güter im Umland. Sie nutzte die Areale unter anderem zur Verrieselung ihrer Abwässer.

Aufgrund seiner Lage und Entfernung zur Großstadt eignete sich das Landgut besonders als Erholungsgebiet für die Berliner Bevölkerung.

 

Eine inszenierte Schenkung

„Die Reichshauptstadt schenkt ihrem Gauleiter ein Blockhaus“, titelte die Parteizeitung der NSDAP „Der Angriff“ 1936 und legte damit den Grundstein für eine Legende, die teilweise bis heute besteht. Das Gebäude erhielt Goebbels auf seinen Wunsch hin von der Berliner NSDAP, der er als Gauleiter ab 1926 vorstand und die ihn als „Eroberer des roten Berlins“ feierte, „geschenkt“. Die machtgestützte private Aneignung wurde als Ergebenheitsgeste der Metropole Berlin verschleiert.

Goebbels erhielt jedoch nur ein Nutzungsrecht auf Lebenszeit. Das Grundstück auf dem Gut Lanke, samt Blockhaus und Inventar, blieb im Besitz der Stadt Berlin. Die Kosten für den Bau des Blockhauses und die Einrichtung wurden durch die Berliner Forstverwaltung finanziert.

Die Parteizeitung der NSDAP in Berlin „Der Angriff“ berichtete über die Schenkung.

Der NSDAP-Funktionär Julius Lippert, der als „Staatskommissar“ die faktische politische Macht in Berlin ausübte, veranlasste im Herbst 1936, dass Goebbels auf Kosten der Stadt das Blockhaus am Bogensee zur Verfügung gestellt wurde.

Karte vom Goebbels Landsitz am Bogensee
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Flurkarte aus dem Vertrag zwischen der Reichshauptstadt Berlin und Joseph Goebbels, 1.4.1940; Quelle: LAB, A Pr. Br. Rep. 057 Nr. 2181.

Flurkarte mit der Kennzeichnung des ca. 200 Hektar großen Goebbels zur Verfügung gestellten Geländes. Vertraglich geregelt wurde diese Nutzung erst vier Jahre nach Errichtung des Blockhauses.

Reetgedeecktes, rechtwinkliges Musterhaus, später Goebbels Blockhaus am Bogensee
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Musterhaus „Der Gartenhof“, um 1935; Quelle: Breuhaus 1935, S. 47.

Musterhaus „Der Gartenhof” des Architekten Fritz A. Breuhaus, das auf der Bau-Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ 1935 in Berlin präsentiert und dessen Rohbau am Bogensee aufgestellt wurde.

Grundrisszeichnung des Blockhauses am Bogensee von Propagandaminister Goebbels
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Grundriss zum „Gartenhof“, um 1935; Quelle: Breuhaus 1935, S. 46.

Die Grundrisszeichnung stammt vom Architekten Fritz August Breuhaus des Blockhauses. Aus der Zeit, in der Goebbels das Haus nutzte, sind weder Innen- noch Außenaufnahmen überliefert.

Akribisch listet das Inventar in über 600 Einträgen die kostspielige Ausstattung des Blockhauses auf. Neben Mobiliar und Haushaltsutensilien verfügte das Haus auch über eine umfangreiche Bibliothek.

Die Strom- und Wasserversorgung des abgeschieden gelegenen Hauses trieb die Betriebskosten in die Höhe, die mit Berliner Steuergeldern finanziert wurden.

Der Nationalsozialist Joseph Goebbels

Joseph Goebbels war ab 1924 in der NSDAP politisch aktiv. Bereits 1926 übernahm er die Position als Gauleiter der NSDAP in Berlin, wo er für die Verbreitung und Durchsetzung der nationalsozialistischen Ideologie auf Hasspropaganda und Gewaltexzesse setzte. Die von ihm gegründete Parteizeitung „Der Angriff“ nutzte er als Sprachrohr und rief unter anderem zu gewalttätigen Aktionen der SA auf, um politische Gegner auszuschalten. Sich selbst inszenierte er in dieser frühen „Kampfzeit“ der „Bewegung“ als radikalen ideologischen Vorkämpfer.

Ab 1930 bekleidete Goebbels das Amt des Propagandaleiters der gesamten NSDAP und verantwortete deren Wahlkampagnen, in denen er Adolf Hitler als „Führer“ inszenierte. Nach der Machtübernahme der NSDAP im März 1933 übernahm er das Amt des „Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda“. Zudem war er Präsident der Reichskulturkammer. In dieser Funktion verantwortete er die Ausgrenzung vor allem jüdischer Künstler:innen und die ideologische Umformung des gesamten Kulturbereiches.  

Seine politische Machtposition nutzte Goebbels auch, um sich private Vorteile zu verschaffen. Er besaß mehrere Immobilien, unter anderem auf der Berliner Insel Schwanenwerder, die er den emigrierten jüdischen Voreigentümern weit unter Wert abgekauft hatte. Das Blockhaus am Bogensee ließ er sich von der NSDAP übereignen und durch die Forstverwaltung Berlin finanzieren. Auch für den Bau des „Waldhofes“ auf der gegenüberliegenden Seite des Sees musste er nicht aufkommen.

Joseph Goebbels und sein Anwalt in einem getäfelten Gerichtssaal
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Joseph Goebbels und sein Verteidiger vor dem Schöffengericht Berlin-Charlottenburg, 1930; Foto: Georg Pahl, Quelle: BA, Bild 102-18470.

Joseph Goebbels wurde bis 1933 mehrfach wegen Beleidigung und Anstiftung von Gewalttaten verurteilt. Seine politische Immunität als Mitglied des Reichstages schützte ihn vor Gefängnisstrafen.

Text: Joebbels von Theobald Tiger - Wat wärst du ohne deine Möbelpacker! Die stehn, bezahlt un treu, so um dir um. Dahinter du: een arma Lauseknacker, een Baritong fort Jachtenpublikum. Die Weiber - hach - dir bibbern dir entjejen un möchten sich am
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Theobald Tiger (Kurt Tucholsky): „Joebbels“; Quelle: Die Weltbühne, 8 /1931, S. 287.

Nur wenige brachten den Mut auf, die nationalsozialistische Hetze öffentlich zu entlarven: In der von Carl von Ossietzky herausgegebenen Zeitschrift „Die Weltbühne“ konnte Kurt Tucholsky 1931 – aus dem Exil heraus – das Gedicht „Joebbels“ publizieren, in dem er die öffentlichen Auftritte von Goebbels aufs Korn nahm.

KOMMENTAR Josephine Eckert: Das Tagebuch von Joseph Goebbels als Quelle

Akribisch und fast täglich schrieb Goebbels Tagebuch, in dem er Politisches, Ideologisches und Persönliches notierte. Seinen Aufenthalt im Blockhaus und später im „Waldhof“ erwähnte er unter den Stichworten „Bogensee“ und „Lanke“ häufig. Schwärmerische Beschreibungen des Waldidylls stehen darin im extremen Gegensatz zu antisemitischen und kriegstreiberischen Äußerungen.

Die Tagebücher, die er bis zu seinem Tod führte, sind eine außergewöhnliche historische Quelle, da in dieser ausführlichen Form keine schriftlichen Erinnerungen von einem anderen hochrangigen Mitglied der NSDAP überliefert sind. Die Notizen von Goebbels geben Aufschluss über tagespolitische Entwicklungen, spiegeln die mentale Verfasstheit des Schreibers und zeigen, wie ein fanatischer Nationalsozialist und Propagandist sich selbst inszenierte.

Bereits zu Lebzeiten publizierte Goebbels erste Auszüge aus seinen Tagebüchern, in denen er sich als erfolgreicher Propagandist des NS-Regimes präsentierte, und verkaufte die Rechte zu ihrer Veröffentlichung.

Text: Nachm. neue Reichsautobahn dicht hinter Bernau. Das liegt das Plätzchen, wo für mich gebaut werden soll. Ein Waldidyll. Wunderbar! Ein kleiner Hügel, und von da sieht man nur Wasser, Bäume, Wiese. Und ringsum tiefe Einsamkeit. Das ist wirklich gut
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Tagebucheintrag von Joseph Goebbels, 18.9.1936; Quelle: Fröhlich 1998–2007, Band 3/II, S. 186.

Aus dem Tagebuch von Joseph Goebbels – Eintrag vom 18. September 1936

Das Blockhaus erwähnt Goebbels erstmals im September 1936, einige Wochen vor der offiziellen „Schenkung“, die maßgeblich sein enger Vertrauter und Mitarbeiter Karl Hanke organisiert hatte.

Text: Stille Silvesterstunden. Wir plaudern und erzählen. Um 12h heben wir die Gläser. "Gott strafe England!" Über dem Bogensee steht hoch der Mond. Fern läuten die Glocken der Dorfkirche. Ein neues Jahr fängt an. Gott gebe uns den Sieg! Den großen Sieg!
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Tagebucheintrag von Joseph Goebbels, 1.1.1940; Quelle: Fröhlich 1998–2007, Band 7, S. 253f.

Aus dem Tagebuch von Joseph Goebbels – Eintrag vom 1. Januar 1940

1939/1940 gab sich Goebbels siegesgewiss. Im darauffolgenden Sommer bombardierte die deutsche Luftwaffe den Süden Englands in einer Großoffensive und versuchte erfolglos, Großbritannien zur Kapitulation zu zwingen.

Text: Nachmittags bei herrlichem Sonnenschein eine kleine Wagenfahrt durch den Wald. Der Schnee ist nun ganz weg, und alles duftet nach Frühling. Hoffentlich kommt er bald. Wir haben ihn nötig. Für uns persönlich, vor allem aber für den Krieg. Über die
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Tagebucheintrag von Joseph Goebbels, 19.2.1941; Quelle: Fröhlich 1998–2007, Band 9, S. 148f.

Aus dem Tagebuch von Joseph Goebbels – Eintrag vom 19. Februar 1941

Bereits zwei Jahre vor seiner „Sportpalastrede“ 1943 schrieb Goebbels am Bogensee einen Artikel zur „totalen“ Kriegsführung – einem Krieg, der die deutsche Zivilbevölkerung mobilisieren sollte.  

Text: In Lanke. Die Sonne scheint endlich etwas. Will nun der Frühling kommen? Ich habe meine Arbeit mit herausgenommen. Hier draußen kann ich in aller Ruhe das Wichtigste erledigen. Die Nachmittagspresse macht mir den Luftangriff auf London viel zu groß
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Tagebucheintrag von Joseph Goebbels, 13.5.1941; Quelle: Fröhlich 1998–2007, Band 9, S. 307-310.

Aus dem Tagebuch von Joseph Goebbels – Eintrag vom 13. Mai 1941

Auch nach der verlorenen „Luftschlacht um England“ flog die deutsche Luftwaffe weiter Angriffe gegen englische Städte. In seinen Tagebüchern entwarf und kommentierte Goebbels die Kriegspropaganda der deutschen Presse. Die Übergänge zwischen seiner politischen Arbeit und seinem persönlichen Leben sind in den Einträgen oft fließend.

Text: Es ist spät geworden. Die Arbeit liegt im Haufen vor. Ich nehme mir einen ganzen Packen auf den Arm und fahre zum Bogensee hinaus. Hier ist so ruhig und friedlich. Hier kann man ohne Hast und ohne Übereilung arbeiten und nachdenken. Herrliches
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Tagebucheintrag von Joseph Goebbels, 6.11.1936; Quelle: Fröhlich 1998–2007, Band 3/II, S. 239-241.

Aus dem Tagebuch von Joseph Goebbels – Eintrag vom 6. November 1936

Das Buch „Mord in Davos“ über die Ermordung des Schweizer NSDAP-Funktionärs Wilhelm Gustloff 1936 durch den jüdischen Studenten David Frankfurter nutzte Goebbels zur antisemitischen Stimmungsmache gegen den Autor des Buches Emil Ludwig.

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