Kultur mit Vollverpflegung
Die Begegnung mit „sozialistischer Kultur“ gehörte zum politischen Bildungsprogramm der Jugendhochschule und war Bestandteil der Ausbildung. Das 1955 fertiggestellte Kulturhaus war der Mittelpunkt einer Vielzahl von zentral organisierten sowie von den Studierenden selbst gestalteten kulturellen Angeboten. Der Große Saal des Gebäudes wurde tagsüber als Mensa genutzt. An den Nachmittagen und am Abend fanden in den Räumen Veranstaltungen statt. Mit seinen Sitzgelegenheiten und dem Restaurant auf der Empore war das Kulturhaus zugleich ein beliebter Treffpunkt und Aufenthaltsort, an dem die Jugendlichen ihre Freizeit verbrachten. Zu den Privilegien der weitgehend autarken Einrichtung gehörten neben den kulturellen Darbietungen auch Vollverpflegung und ein breites Angebot an Dienstleistungen.
Blick auf das Kulturhaus vom Lektionsgebäude aus.
Im Innenhof der Anlage erstreckte sich zwischen Kulturhaus und Lektionsgebäude eine parkähnlich gestaltete Grünfläche, die für politische Repräsentationszwecke genutzt wurde, aber auch als Aufenthaltsort der Jugendlichen in ihrer Freizeit diente.
Der große, lichtdurchflutete Saal des Gebäudes diente als Mensa und Ort für Kulturveranstaltungen. Er befindet sich im Zentrum des Gebäudes und ist umgeben von einer Vielzahl kleinerer Räume.
Die Innengestaltung des Kulturhauses, insbesondere des Speisesaales, spiegelt den in den 1950er Jahren dominierenden architektonischen Baustil wider. Sowohl die räumlichen Dimensionen als auch die klassizistischen Gestaltungselemente verliehen dem Saal seine repräsentative Aura.
Im Kulturhaus gab es eine Vielzahl von Räumen, die für Veranstaltungen genutzt wurden und den Studierenden zur freien Verfügung standen.
Der Große Saal diente am Tag als Mensa, abends fanden hier regelmäßig Veranstaltungen statt.
Veranstaltungsort
Das kulturelle Leben an der Jugendhochschule stand ganz im Zeichen ihres politischen Bildungsauftrages und war, ähnlich wie der Lehrbetrieb, straff organisiert. Lesungen, Filmabende, Konzerte und Vorträge gehörten zum Programm. Prominente Künstler:innen sowie Schriftsteller:innen, wie z. B. Stephan Hermlin und Brigitte Reimann, der Filmemacher Konrad Wolf sowie die Sängerinnen und Schauspielerinnen Gisela May und Eva-Maria Hagen, traten am Bogensee auf. Das organisierte kulturelle Leben bot den Jugendlichen Abwechslung vom Studienalltag, blieb dabei aber stets Teil der politischen Erziehung. Gespräche und Diskussionen im Kreis der Studierenden oder mit den geladenen Gästen aus Kultur und Politik sollten dazu dienen, politische Standpunkte zu festigen.
Der sogenannte Schulklub organisierte im Sinne „einer sinnvollen, der Erfüllung des Lehr- und Erziehungsprogrammes dienenden Freizeitgestaltung“ das Kultur- und Freizeitprogramm der Schule, das Vorträge, Lesungen, Gespräche, Theateraufführungen, Konzerte, Filme und Tanzveranstaltungen umfassen konnte.
Zu den „kulturellen Höhepunkten“ des Jahres 1989 zählten, neben der verpflichtenden Teilnahme am Pfingsttreffen der FDJ in Berlin, auch regelmäßig stattfindende Tanzabende oder das gemeinsame Angeln im Bogensee.
1961 lud die Jugendhochschule Brigitte Reimann zu einer Lesung an den Bogensee ein. Mit ihren 28 Jahren war Reimann selbst noch sehr jung, als ihr von der Kritik hochgelobtes Buch „Ankunft im Alltag“ erschien. In ihrer Erzählung über den Alltag von FDJ-Mitgliedern in einem Braunkohlekraftwerk skizziert sie deren konfliktbeladene Situation zwischen politischer Zustimmungsbereitschaft und der unpolitischen Lebenswirklichkeit in der Arbeitswelt.
Im Dezember 1983 traten anlässlich einer FDJ-Tagung die „Puhdys“ auf. Eine der prominentesten DDR-Rockbands präsentierte dort ihr kurz zuvor veröffentlichtes Album „Computer-Karriere“.
Der „Oktoberklub“, der erste Singeklub der DDR, war aus der von der FDJ angestoßenen „Singebewegung“ hervorgegangen. Zu seinem Repertoire gehörten Programme mit progressiven Folksongs sowie deutschen und internationalen Arbeiter- und Kampfliedern. Zudem veranstaltete der „Oktoberklub“ jährlich das „Festival des politischen Liedes“, das 1986 auch am Bogensee stattfand.
Gisela May, Schauspielerin am Berliner Ensemble, war für ihre Rollen in Theaterstücken von Bertolt Brecht bekannt. Als Interpretin und Chansonsängerin genoss sie internationale Anerkennung.
Eva-Maria Hagen war anlässlich eines Brecht-Abends 1973 am Bogensee. Die Karriere der Theater- und Filmschauspielerin hatte einen herben Rückschlag erlitten, als sie ab 1965 mit dem SED-kritischen Liedermacher Wolf Biermann liiert war. Aufgrund ihres Protestes gegen die Ausbürgerung Biermanns 1976 wurde auch ihr die DDR-Staatsbürgerschaft entzogen, woraufhin sie mit ihrer Tochter Nina Hagen in die BRD übersiedelte.
Fasia Jansen war eine in der Friedens- und Frauenbewegung engagierte politische Liedermacherin, die als eine der wenigen Künstler:innen aus der Bundesrepublik Deutschland am Bogensee auftrat.
Der erste Kosmonaut der DDR, Sigmund Jähn, der in seiner Heimat als Vorbild gefeiert und geehrt wurde, war oft zu Gesprächsrunden zu Gast an der Schule. Anlässlich seines Besuches 1984 wurde ein Saal im Kulturhaus mit Motiven aus der Raumfahrt gestaltet.
Ausstattung und Verpflegung
Aufgrund ihrer abgeschiedenen Lage wurde die Jugendhochschule technisch weitgehend autark vom Umland betrieben. Zugleich verfügte die „höchste Ausbildungsstätte“ der FDJ angesichts ihrer politischen Bedeutung über eine besonders gute Ausstattung.
Auf dem Schulgelände befanden sich verschiedene Werkstätten, eine Wäscherei, eine Poststelle und ab Mitte der 1980er Jahre auch ein eigenes Heizhaus. Hinzu kamen Gesundheitseinrichtungen, ein schuleigener Fahrdienst und ein Kindergarten. Ein Ladengeschäft bot Waren des täglichen Bedarfes an und es gab einen Friseur. Ein Schwimmbecken und eine Turnhalle standen für Sportunterricht und Freizeit zur Verfügung.
Bis in die 1980er Jahre war ein Kindergarten im „Waldhof“ untergebracht. Eine eigene Grundschule gab es jedoch nicht, ältere Kinder besuchten die Schulen in der Umgebung.
Das ehemalige Kaminzimmer im „Waldhof“ wurde in den 1940er Jahren als Seminarraum genutzt. Später wurden hier die Kinderkrippe und der Kindergarten untergebracht.
Eine allgemein- und eine zahnmedizinische sowie eine gynäkologische Praxis gehörten zur ärztlichen Grundversorgung.
Obwohl mit dem Bogensee ein Badesee in der Nähe der Jugendhochschule lag, gab es auf dem Gelände ein Freibad. Das Becken wurde in den 1990er Jahren zugeschüttet.
Wäscherei der Jugendhochschule.
Im Kellerbereich der Wohnheime standen den Schülerinnen und Schülern Tischtennisplatten, Trainingsräume für Kraftsport, Arbeitsräume sowie Fotolabors zur Verfügung.
Angesichts der allgemeinen Not in der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Versorgung der abgelegenen Schule zunächst schwierig. Anfänglich betrieb sie deshalb eine eigene kleine Landwirtschaft mit Acker und Nutztieren.
In der Folgezeit besserte sich die Situation. Als politisch privilegierte Einrichtung wurde die Jugendhochschule besonders gut versorgt. Neben einer ganztägigen Vollverpflegung standen dem Personal und den Jugendlichen ein Restaurant im Kulturhaus, ein Ladengeschäft sowie eine ganze Reihe Dienstleistungen zur Verfügung.
Die schlechte Versorgungslage in der Nachkriegszeit führte auch in der FDJ-Schule zu einem erhöhten Krankenstand. Die kleine Landwirtschaft sollte Abhilfe schaffen. In einem Schreiben an die Deutsche Wirtschaftskommission wies die Schulleitung auf die missliche Lage hin, um von der verpflichtenden Abgabe landwirtschaftlicher Produkte befreit zu werden.
In der Anfangszeit mussten die Jugendlichen bei der Küchenarbeit, wie hier beim Kartoffelschälen, mithelfen.
Die Jugendhochschule verfügte über eine Großküche zur täglichen Essensversorgung des Personals und der Studierenden. Mit dem Ausbau der Schule in den 1980er Jahren wurden die Küchen erneuert.
In der Mensa im Kulturhaus aßen die Studierenden gemeinsam Frühstück, Mittag und Abendbrot. Zu besonderen Anlässen gab es musikalische Unterhaltung.
Zusätzlich zur Verpflegung in der Mensa und in der Gaststätte im Kulturhaus eröffnete in den 1980er Jahren eine weitere Gaststätte im „Waldhof“. Sie stand in erster Linie den dort untergebrachten offiziellen Gästen der Jugendhochschule zur Verfügung.
In der näheren Umgebung der Schule gab es keine Einkaufsmöglichkeiten. Ein Laden, der im ehemaligen Kinosaal im „Waldhof“ untergebracht war, bot Dinge des täglichen Bedarfs an.