frontaler Blick auf die Jugendhochschule Wilhelm Pieck (ehem. Cover-Bild des Kataloges: Junge Kunst im Auftrag)
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Junge Kunst im Auftrag, Katalog des Jugendobjektes "Bildkünstlerische Ausgestaltung der Jugendhochschule 'Wilhelm Piek'" 1983-1986.

Junge Kunst im Auftrag

„Die Jugendhochschule ‚Wilhelm Pieck‘ wird bis 1985 umfassend rekonstruiert und erweitert. Gleichlaufend dazu wird sie […] bildkünstlerisch ausgestaltet. Der Einsatz von Kunstwerken und die Realisierung einer einheitlichen Gestaltungskonzeption hat zum Ziel, die Erziehung standhafter, der Partei ergebener Funktionäre der FDJ sowie die Vertreter ausländischer Jugendorganisationen zu unterstützen und ihr ästhetisches Empfinden zu schulen.“ (Beschluss des Sekretariats des Zentralrates der FDJ, 28.6.1983)

In das Vorhaben einer neuen Gestaltung der Jugendhochschule wurden Dozenten und Studierende aller künstlerischen Hoch- und Fachschulen der DDR eingebunden. Die angehenden Künstler*innen sollten zu den Themenkomplexen „Kommunistische Zukunft“, „Revolutionäre Traditionen“ sowie „FDJ und Gegenwart“ arbeiten. Für diese wurden zum besseren Verständnis noch Untergruppen wie „Wir sind Millionen“, „Völkerfreundschaft“, „Jugend und Sport“, „Familie, Mensch/Tier/Technik“ formuliert. Die Aufträge gingen aber nicht direkt an die Studierenden, sondern an die teilnehmenden Hoch- und Fachschulen. Diese kritisierten wiederholt, dass die Studierenden durch die Themensetzungen in der Diplomphase zu sehr eingeschränkt würden. Andererseits bot die Teilnahme an der Ausgestaltung von Bogensee auch Vorteile: Die Studierenden konnten etwas länger den teilnehmenden Kunsthochschulen bleiben und erhielten ein Honorar für ihre Werke. Neben den Diplomarbeiten wurden ebenso Werke von Künstler*innen integriert, die ihr Studium schon länger beendet hatten sowie von Professoren der beteiligten Hochschulen.

 

Historische und aktuelle Fotografien
Jo Jastram: Wilhelm Pieck, Edelstahl, 1985, 83x60x25 cm
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Jo Jastram: Wilhelm Pieck, 1985, Museum Utopie und Alltag, © VG Bild-Kunst 2022, Foto rechts: Thomas Kläber, 2022.

Jo Jastram: Wilhelm Pieck, 1985, Edelstahl, 83x60x25 cm

Standort: Forum / vor dem Lektionsgebäude

Der Bildhauer Jo Jastram (1928-2011) war von 1980 bis 1986 Professor für Plastik an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Bereits in den 1970er Jahren realisierte er großformatige Reliefs im öffentlichen Raum. In Bogensee wurde die von ihm gemeinsam mit Studierenden geschaffene Reliefplatte mit dem Porträt von Wilhelm-Pieck auf einer Stele angebracht, die von einer flachen Mauer mit Schriftgestaltung umgeben war. Der helle Edelstahl hob sich gut gegen den nachdunkelnden Sandstein ab und auch die Positionierung links der Mittelachse des Forums war auffällig.

Barbara Burck: Jugend, Öl auf Leinwand, 1985, 3 Teile, 238x508 cm (Gesamtgröße)
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Barbara Burck: Jugend, 1985, Museum Utopie und Alltag, © VG Bild-Kunst 2022, Foto rechts: Thomas Kläber, 2022.

Barbara Burck: Jugend, 1985, Öl auf Leinwand, 3 Teile, 238x508 cm (Gesamtgröße)

Standort: Kulturhaus

Barbara Burck (Jg. 1960) wählte für ihr großformatiges Triptychon Themen aus, die im Alltag ihrer Generation eine Rolle spielten. In der dreiteiligen Komposition zeigt sie in der Mitte eine Sängerin mit Band auf einer Bühne, links eine junge Frau im rosa Kleid zusammen mit vielen jungen Menschen vor einem Schaufenster und rechts eine Gruppe von Freunden um einen Tisch mit leuchtenden Sonnenblumen. Die drei Gemälde waren Teil ihres Diploms, das sie bei Bernhard Heisig verteidigte. In Bogensee bekamen sie einen zentralen Platz im Foyer des Kulturhauses.

Bruno Griesel: Diskussion, 1986, Öl auf Hartfaser, 141x170 cm
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Bruno Griesel: Diskussion, 1986, Museum Utopie und Alltag, © VG Bild-Kunst 2022, Foto rechts: Thomas Kläber, 2022.

Bruno Griesel: Diskussion, 1986, Öl auf Hartfaser, 141x170 cm

Standort: Kulturhaus

Im Zentrum des Gemäldes von Bruno Griesel (Jg. 1960) steht ein angespannt wirkender junger Mann, ein Buch sowie ein rotes Heft (wahrscheinlich das Parteibuch) fest in den Händen haltend. Er wird von einem Herrn im Anzug umarmt, der sich mit der anderen Hand an die Stirn greift. Im Hintergrund weist auf einer roten Plakatwand Lenin die Richtung. Die titelgebende Diskussion findet höchstens im Kopf des Protagonisten statt und deren Ausgang scheint offen. In Bogensee hing das Gemälde im Treppenaufgang des Kulturhauses.

 

Hans Aichinger: Sitzender, 1986, Öl auf Hartfaser, 144x123 cm
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Hans Aichinger: Sitzender, 1986, Museum Utopie und Alltag, © Hans Aichinger 2022, Foto rechts:Thomas Kläber, 2022.

Hans Aichinger: Sitzender, 1986, Öl auf Hartfaser, 144x123 cm

Standort: Kulturhaus

Das fast quadratische Format füllt Hans Aichinger (Jg. 1959) komplett mit einem jungen Mann in rotem Pullover und Jeans aus, der vorn übergebeugt auf einem Stuhl sitzt. Er blickt seinem möglichen Gegenüber direkt ins Gesicht und scheint zu fragen, was sie oder er dazu sagt? Aber egal wie die Antwort ausfällt, einverstanden scheint er damit nicht zu sein. Wie das Gemälde „Diskussion“ seines Kommilitonen Griesel – beide waren Schüler von Bernhard Heisig – hing auch Aichingers Arbeit im Treppenaufgang des Kulturhauses.

Kostas Sissis: Spanien '36, 1985, Öl auf Sperrholz, 12 Teile, 285x1470 cm (Gesamtgröße)
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Kostas Sissis: Spanien '36, 1985, Museum Utopie und Alltag, © Kostas Sissis 2022, Foto rechts: Thomas Kläber, 2022.

Kostas Sissis: Spanien '36, 1985, Öl auf Sperrholz, 12 Teile, 285x1470 cm (Gesamtgröße)

Standort: Internat II / heutiges Haus Potsdam

Kostas Sissis (Jg. 1957) machte in seinem monumentalen Wandbild zum spanischen Bürgerkrieg nicht den Kampf der Internationalen Brigaden oder den Angriff auf Guernica zum Gegenstand, sondern die gesellschaftlichen Kräfte, die Franco unterstützt haben: Militär, Kirche und Kapital sitzen an einem Tisch und schauen dem Krieg zu. Künstlerisch ließ sich Sissis, dessen Mentor Bernhard Heisig war, deutlich von Goya und Picasso inspirieren. Die Bildtafeln hat er konkret für den vorgesehenen Standort geschaffen, das Foyer im Treppenhaus eines der Internatsgebäude.

Eckhard Böttger: Randriegel I, 1984, Mischtechnik auf Hartfaser, 110x130 cm
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Eckhard Böttger: Randriegel I, 1984, Museum Utopie und Alltag, © VG Bild-Kunst2022, Foto rechts: Thomas Kläber, 2022.

Eckhard Böttger: Randriegel I, 1984, Mischtechnik auf Hartfaser, 110x130 cm

Standort: Internat I

Bereits im Juni 1984 hatte Eckhard Böttger (1954-2010) sein Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden abgeschlossen, Mentorin war Jutta Damme. Da seine Arbeiten zum Thema „Lausitzer Braunkohlenbergbau“ gut in das inhaltliche Spektrum von Bogensee passten, wurden sie ein Jahr später dafür ausgewählt. Der Titel „Randriegel“ verweist auf den ersten Arbeitsprozess bei der Erschließung eines Tagebaus, bei dem der Natur Wasser entzogen und damit die Zerstörung der Umwelt in Gang gesetzt wird. In Bogensee fanden zwei „Randriegel“ in einem Clubraum Platz.

Klaus-Dieter Locke: Post aus der Heimat
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Klaus-Dieter Locke: Post aus der Heimat, 1985, Museum Utopie und Alltag, © VG Bild-Kunst 2022, Foto rechts: Thomas Kläber, 2022.

Klaus-Dieter Locke: Post aus der Heimat, 1985, Öl auf Hartfaser, 69x97 cm

Standort: Büroräume

Durch den Titel „Post aus der Heimat“ verweist Klaus-Dieter Locke (Jg. 1953) deutlich darauf, dass es sich bei der Sendung um Post für eine oder einen der internationalen Studierenden in Bogensee und nicht um ein „Westpaket“ handelt, wie man es beim Blick auf den Inhalt vielleicht vermuten könnte. Zwar liegt neben den Bananen, der Ananas und anderen Genussmitteln ein Brief auf dem Tisch, aber dieser ist nicht entzifferbar. Die Motivwahl legt nahe, dass Locke sich im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Burg Giebichenstein in Halle direkt auf die internationalen Lehrgänge an der Jugendhochschule bezogen hat.

Kommentar: Angelika Weißbach - Gemälde Christine Braun - Junge Frau
Christine Braun: Junge Frau, 1986, Öl auf Hartfaser, 128x74 cm 
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Christine Braun: Junge Frau, 1986, Museum Utopie und Alltag, © Christine Braun, Foto: Thomas Kläber,2022.

Christine Braun: Junge Frau, 1986, Öl auf Hartfaser, 128x74 cm 

Standort: Internat II / heutiges Haus Potsdam

Die „Junge Frau“ der Künstlerin Christine Braun tanzte schon in Bogensee aus der Reihe und spielt auch im Beeskower Depot, wo sie seit den frühen 1990er Jahren zu Hause ist, eine exklusive Rolle.

Christine Braun, Jg. 1958, reichte das Gemälde 1986 als Teil ihrer Diplomarbeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig ein. Es ist ein Selbstbildnis, auf dem sich die Malerin im eleganten Sommerkleid mit Pinsel und Palette in den Händen vor einem rot bemalten Hintergrund zeigt. Rechts neben ihr taucht ein großer Schatten auf, der auf eine ihrer kunsthistorischen Bezugspersonen, den norwegischen Maler Edvard Munch, verweist. Braun bezieht sich konkret auf Munchs Gemälde „Der Künstler und sein Modell“ (1919-21), auf dem die Frau mit langem, offenem Haar im blau-weißen Morgenmantel vor dem Maler steht. Es gehört zu einer Serie, in der sich Munch mit dem Verhältnis der Geschlechter beschäftigt hat. Dies macht auch Braun, aber sie ist Modell und Künstlerin zugleich.

Mit diesem feministischen Thema passte Braun nur schwer in die Gestaltungskonzeption von Bogensee. Zuerst war ihr Gemälde für das Treppenhaus des Kulturhauses eingeplant, angebracht wurde es aber schließlich in einem Klubraum des Internates II. Als großformatiges Selbstporträt einer jungen Malerin ist es im Beeskower Bestand, der sich aus Werken von rund 1.300 Künstlern und 380 Künstlerinnen zusammensetzt, ohne Beispiel.

Kommentar: Jürgen Danyel - Kunst im Auftrag

Die Ausstattung von öffentlichen Gebäuden der Parteien und Massenorganisationen, des Staatsapparates aber auch von Betrieben, Kulturhäusern, Parkanalagen und Ferienobjekten mit Kunstwerken war ein wichtiges Element der Kultur- und Kunstpolitik in der DDR. Auf diesem Weg sollte ausgehend von einem antielitären Kunstverständnis eine enge Verbindung zwischen der künstlerischen Produktion und den Belangen der sozialistischen Gesellschaft hergestellt werden. Dazu sollten künstlerische Wettbewerbe und Aufträge dienen, die in der Regel politischen Vorgaben folgten. Immer wieder führte dies zu Konflikten zwischen den Auftraggebern und den Künstler*innen oder hatte Eingriffe in die künstlerische Autonomie zur Folge. Zugleich erfüllte diese „Auftragskunst“ aber eine wichtige soziale Funktion, denn sie sicherte vielen Künstler*innen ein Einkommen. In der DDR gab es keinen wirklich freien Kunstmarkt. Der Spielraum, den die Künstler*innen bei der Umsetzung der vorgegebenen Themen hatten, hing stark von der jeweiligen kulturpolitischen Linie der SED ab. Seit den 1970er und vor allem in den 1980er Jahren gingen viele Künstler*innen jedoch zunehmend eigensinnig, kreativ und selbstbestimmt mit den Vorgaben um. Einige der so entstandenen Werke lösten öffentliche Diskussionen in der DDR-Gesellschaft aus.

 

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